Victor Cox, 35 Jahre, selbstständiger Hausmeister, berichtet:
 
Ich bin jetzt sehr müde. Wir haben, solange das Tageslicht reichte, Möbel geschleppt, den Keller leergepumpt Schutt geschaufelt. Meine eigenen Aufträge habe ich erstmals alle weggeschoben, mein Gerät hier angeschleppt. Am nächsten Montag muss ich sehen, daß ich das alles wieder gerichtet kriege.
 
Ich komme aus Schlich, dem Nachbardorf, und wohne jetzt seit eineinhalb Jahren in Merode, aber es ist trotzdem «mein Dorf», ich habe meine Kindheit und Jugend hier verbracht. Am vergangenen Montag kam ich mittags von einer Beerdigung nach Hause. Ausgerechnet von einer Beerdigung! Auf der Autobahn hörte ich schon im Radio, daß das Schloss brennt. Wie ein Wahnsinniger bin ich nach Hause gefahren. Ich wohne gegenüber vom Schloss und habe zwei kleine Kinder, 3 Jahre und vier Monate alt. Und ich wußte ja nicht, wie der Wind steht... Als ich ankam, sah ich, wie das Schloss lichterloh in Flammen stand. Ich war einfach sehr traurig, ich hatte wirklich feuchte Augen.
 
Ich befasse mich viel mit der Geschichte des Dorfes und besitze viele Fotos aus der Kriegszeit. Für mich war das eben die Vergangenheit. Aber auf einmal ist wieder so vieles zerstört. Ich kann es noch gar nicht fassen, daß das Schloss wieder den Bach runtergegangen ist. Das Bild passt übrigens - ich habe gesehen, wieviel Tonnen von Wasser in das Gemäuer gespritzt werden mussten.
 
Mein Wunsch? Ich will das Schloss wiederhaben. Es ist ja auch mein Schloss, es gehört zum Dorf, in dem ich wohne und ich schaue den ganzen Tag darauf. Ich möchte es wieder so haben, wie es war, auch mit der Familie, die hier wohnt. Sie sind alle so nett. Sie haben ein Recht auf Privatsphäre, ich begrüße das. Ich möchte nicht, daß hier Wohnparks entstehen oder jeden Tag Reisebusse halten. Ich liebe mein Dorf so wie es ist und versuche, meinen Teil dazu beizutragen.
 
Sabine Vitzer, 39, Nachbarin aus der Schlossstraße, 3 Kinder berichtet:
 
Ich kam aus Düren, weil ich mit meinem Sohn beim Arzt war. Als ich die riesige Rauchwolke über dem Schlosspark sah, dachte ich zunächst, unser Haus brenne. Dann merkte ich, daß es das Schloss war. Ich erlebte ein Wechselbad der Gefühle, denn dass das Schloss brannte, war mindestens genauso schlimm. Ich kämpfte mit den Tränen. Ich bin nicht hier geboren, trotzdem ist das Schloss für mich ein Stück Heimat. Meterhohe rote Flammen schlugen aus dem Dach und mitten darin diese Zwiebel von dem Turm, schon als schwarzes Gerippe. Ich wechselte den Standort - und plötzlich war der Turm einfach verschwunden. Man konnte beobachten, wie der Brand weiterkroch: Zuerst weißer Rauch unter den Schieferplättchen, dann nach wenigen Minuten Feuer, ein Stück weiter wieder Rauch, dann wieder Feuer... Ich war fassungslos, schockiert und konnte das nicht mehr mit ansehen: dieses Elend, die ganzen Wassermassen, die auf das Schloss fielen und doch zunächst keinen Effekt hatten, nur an die Dachrinne kamen. Der Kapellenturm fällt auch noch, dachte ich. In Windeseile ging ich nach Hause, auch weil ich meine Kinder aus der Schule erwartete und sagte nur: Die armen Leute, die armen Leute! Für meine Kinder war es ein Schock: Meine 9jährige Tochter sah vom Spielplatz der Schule aus, wie der brennende Turm umkippte und dachte, er fällt auf unser Haus. Die Schüler haben über den Brand in den letzten Tagen einen Aufsatz erstellt und meine Tochter hat dazu viele Seiten geschrieben. Sie mußte das alles erst einmal verarbeiten.
 
Ich mußte an diesem Tag immer wieder hingehen. Der Kapellentum steht Gottseidank, wenigstens der. Es wäre furchtbar gewesen, wenn man gar nichts mehr über die Bäume ragen gesehen hätte.
 
Der Prinz war erledigt, aber in dem ganzen Elend auch glücklich darüber, daß so viele Menschen Anteil nahmen und halfen. Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, zu helfen, das hat auch nichts damit zu tun, daß es eine Prinzenfamilie ist. Wir haben auch über unsere Kinder ein gutes Verhältnis zur Familie.
 
Viele Nachbarn haben dabei geholfen, die Berge von nasser, verschmutzter Wäsche zu waschen. Von einem Zelt vor dem Tor aus wurden die Kleidungsstücke und Tücher verteilt. Eine Frau erzählte mir, daß sie ununterbrochen wasche, seit dem Morgen. Meine Nachbarin gab zu bedenken, daß man die saubere Wäsche ja nicht gut zurück ins Schloss bringen konnte. «Die sammeln wir bei mir» Auch Frauen aus Schlich und D'horn haben dabei mitgeholfen. Heute noch, eine Woche später, fragte mich im Kindergarten eine Mutter, ob sie im Schloss helfen solle mit Bettwäsche und Kleidung!
 
Daß die Schlosskapelle erhalten geblieben ist, freut mich sehr. Es ist ein schöner, andächtiger Raum, in dem ich mich wohlfühle. Ich habe gerade erst die Kommunionkindern hineingeführt und gehe dort gerne in die Werktagsmesse. Daher konnte nicht zusehen, wie der Turm zu fallen drohte.
 
(Während dieses Gesprächs trifft wieder eine Frau ein, die die Prinzessin fragt, ob die Familie vielleicht noch etwas zum Anziehen braucht)
 
Marcel, 8 Jahre alt, aus der Schlossstrasse, eine Woche nach dem Brand berichtet:
Er hat seine Mutter bedrängt: Jetzt wo Ferien sind, will er unbedingt helfen. Er kommt mit seiner Mutter und Fahrradhelm zu dem Turm, in dem das Notquartier untergebracht ist und die Prinzessin Merode gerade in einer Besprechung ist. Am Sonntag fliegt er in die Ferien, will aber vorher etwas tun. Die Prinzessin dankt ihm herzlich. Er wird am nächsten Tag dabei helfen, altes durchnässtes Papier aus dem Schloss zu bringen. Heute ist es zu gefährlich, weil Handwerke gerade das Notdach errichten.
Isabelle Lutz
Photo
 
 
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